Der Guru irrt sich

Der bekannte Investor Dennis Gartman ging am 18. April dieses Jahres Short in Crude Öl. Zehn Minuten später, nachdem der Ölpreis stark angestiegen war, wurde seine Position mit Verlust ausgestoppt. Eine Woche später, am 26. April war Gartman wieder Short. Diesmal hatte Gartman seine Sinnen auf den Nasdaq, gesetzt. Wenige Stunden später fiel diese Position erneut mit Verlust dem Stop zum Opfer.

Man kann diese Mitteilung unterschiedlich interpretieren. Eine mögliche Interpretation wäre natürlich: hier hat ein disziplinierter Trader seine „Strategie“ konsequent umgesetzt. Der Markt hat ihm gezeigt, dass er auf der falschen Seite stand. Also katapultierten die harten Stops seine Positionen aus dem Markt. Diese Nachricht wäre unbedeutend, stammte sie nicht von einem   der aktuell bekanntesten Gurus, die regelmäßig auf amerikanischen Fernsehsendern ihre „Meinung“ über den Markt zum Besten geben.

Gartman ist gewiss ein cleverer Kopf, und es fehlt ihm sicher auch nicht an „Insider-Informationen“, was immer das heute noch bedeuten mag. Die zwei Fehltrades illustrieren lediglich, dass auch die „am besten informierten Trader“ der Wall Street gelegentlich „daneben“ liegen. Die Nachricht über die beiden Fehltrades (eine Mitteilung an die Leser seines Newsbriefes) war auch deswegen interessant, weil Gartman kurz davor angekündigt hatte, dass „die Aktienmärkte historische Höhen erreicht hätten.“  Die Wirklichkeit hat ihm offenbar gelehrt, dass auch historische Höhen noch übertroffen werden können.

Das Gleiche gilt im Übrigen für diejenigen Börsianer, die steigende Zinsen als Indikator anführen, dass die Hausse an den Aktienmärkten bald vorbei sein könnte. Auch wenn das Mantra, „steigende Zinsen seien Gift für Aktien, niedrige Zinsen geradezu eine Einladung, Aktien zu kaufen“ immer wieder wiederholt wird, lässt sich diese Aussage nicht so ohne weiteres statistisch nachweisen. Zu viele andere Faktoren wie zum Beispiel die Inflation spielen womöglich eine noch wichtigere Rolle als eine schrittweise Anhebung der Zinsen, wie sie aktuell von der amerikanischen Zentralbank durchgeführt wird.

Zumindest für kurz- aber auch mittelfristig orientierte Trader lässt sich aus solchen Befunden kaum Kapital schlagen. Für den aktiven Trader bleibt die wichtigste Frage: lässt sich aus der aktuellen Marksituation ein Markteinstieg  (sei er Long oder Short) technisch motivieren? Und wenn ja, welche Kursziele sind möglich und welches Risiko müsste in Betracht gezogen werden, um den geplanten Trade zu motivieren. Können diese drei Parameter auf eine vernünftige Weise (im Kontext der selbstgewählten Strategie) beschrieben werden, dann kann der Trader aktiv werden. Ankündigungen an seine Newsbriefleser wie von Gartman „Ich bin am 18. April im Crude Öl Short gegangen und wurde nach zehn Minuten leider ausgestoppt“ bedeuten im Grunde genommen gar nichts. Entweder war seine Position zu groß (vermutlich) oder seine Meinung über den Markt war ebenfalls zu groß (ziemlich sicher). Fakt ist: Gartmann hatte eine klare Meinung, handelte danach, und wurde prompt vom Markt eines Besseren belehrt. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Seine Aussagen für oder wider etwas sind daher mehr als Marketing für sein Investmentfonds zu betrachten denn als gute Ratschläge für den privaten Trader, der sich redlich bemüht, seine Strategie diszipliniert umzusetzen.