Warum Kurse schnell fallen und langsam steigen

Jeder, der sich eine Weile mit der Börse beschäftigt, hat das schon beobachtet: Stück für Stück steigen die Kurse einer Aktie oder eines Index über längere Zeit an. Manchmal scheinbar in Zeitlupe. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

Dann kommt es plötzlich zu einer Bewegung nach unten. Und die fällt oft viel schneller und heftiger aus als der vorherige Kursanstieg. Innerhalb kürzester Zeit wird eine Kursspanne abverkauft, für die es beim Anstieg eine viel längere Zeit brauchte.

Dieses Verhalten ist typisch für viele Märkte. Nach oben mit der Treppe, nach unten mit dem Aufzug. Vor allem bei Aktien und Aktienindizes. Und es gibt gute Gründe, warum das so ist:

● Erstens: Schlechte Nachrichten verbreiten sich schneller als gute. Entsprechend ist davon auszugehen, dass schlechte Nachrichten – wenn sie erstmal in Umlauf kommen – auch schneller eingepreist werden.

● Zweitens: Für neue Aktienkäufe bei steigenden Kursen sind höhere Geldmittel nötig, um die Positionen erwerben zu können. Das Aufbringen dieser Mittel bedarf häufig einer bestimmten Zeit (zum Beispiel für das Sparen vom Gehalt etc). Käufe sind für viele Anleger daher nur sukzessive im Zeitablauf möglich. Gerade nach einer langen Baisse mit hohen Verlusten können viele Anleger erst schrittweise wieder zurückkommen. Verkäufe dagegen sind stets sofort umsetzbar, da hierfür keine finanziellen Mittel nötig sind. Es kann also oft nur langsam gekauft, aber stets schnell verkauft werden.

● Drittens: Vertrauen entsteht langsam und verschwindet schnell. Anleger, die ihr Geld in Fonds gesteckt haben, ziehen in Verlustphasen ihr Geld oft viel schneller ab, als sie es zuvor investiert haben. Dieses Verhalten zwingt den Fondsmanager, Positionen zu ungünstigen Zeitpunkten (nämlich nach Kursverlusten) zu verkaufen, um die Anleger auszahlen zu können. Aus diesem Verkaufsdruck können sich weitere Kursverluste ergeben, die wiederum Anleger zum Ausstieg motivieren usw.

● Viertens: Die meisten Anleger sind long positioniert. Das heißt, sie erwarten steigende Kurse. Einige dieser Anleger sichern ihre Positionen nach unten hin durch Stopps ab, bei deren Erreichen die Aktien automatisch verkauft werden. Liegen viele solcher Stopps an markanten technischen Levels, so kann durch deren Auslösen eine weitere Abwärtswelle entstehen.

● Fünftens: Es ist kein Geheimnis, dass die Kurse schneller steigen als sie fallen. Gibt es erstmal eine starke Abwärtsbewegung, werden alle vorsichtiger, weil sie eine Anschlussbewegung antizipieren – auch die Market Maker, die sonst immer verlässlich An- und Verkaufskurse stellen. Wenn es aber stark nach unten geht, kann es passieren, dass Liquiditätsengpässe auftreten. Problematisch wird es, wenn das am Markt offensichtlich wird – denn nun steigt die Gefahr, dass sich einzelne Marktteilnehmer in die Ecke gedrängt fühlen und in Panik verfallen (“Verkaufen um jeden Preis”).

● Sechstens und Letztens: Ein schneller, starker Kursrutsch kann bei immer mehr Anlegern zu Angst oder gar Panik führen. Jetzt kann es passieren, dass sich die soeben genannten Faktoren gegenseitig verstärken und es zu einer massiven Abwärtsspirale kommt – ein Teufelskreis entsteht, der immer weitere Kreise zieht und nochmals neue Anschlussverkäufe auslöst. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Crash.

Für Anleger und Trader ist es entscheidend, diesen Mechanismus zu verstehen. Denn nur so kann man sich dagegen wappnen, selbst in Angst und Panik zu verfallen und zum Opfer des Teufelskreises zu werden. Ein wirksamer Schutz gegen emotionales Trading sind ein ausgefeiltes Risikomanagement und der Handel mit kleinen Positionen.

Und falls man doch mal auf dem falschen Fuß erwischt wird? Dann gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben. Und zwar am besten entsprechend folgendem Trading-Ratschlag:

“As a trader, never panic, but if you are going to panic, panic first.” [1]


Quellen:
[1] Pedersen, L. H. (2015), Efficiently Inefficient, How Smart Money Invests & Market Prices are Determined, Princeton University Press.

Marko Momentum