Buchbesprechung: Trading Psychology 2.0 – From Best Practices to Best Processes

Brett N. Steenbarger, Wiley, 2015

Brett Steenbarger ist der wohl bekannteste Trading-Psychologe in den USA. Jahrelang arbeitete er als professioneller Coach bei Hedgefonds und Eigenhandelsfirmen. Deshalb ist sein Buch eine Fundgrube für jeden Einsteiger und fortgeschrittenen Trader. Entsprechend ist unser Review diesmal auch etwas umfangreicher.

Schon im Vorwort macht der Autor klar, dass ein Vorteil am Markt auf Dauer nicht ausreicht. Man muss sich anpassen und neue Strategien finden können, wenn die Märkte es erfordern. Damit wird Trading zur Performance-Disziplin, die man nie vollständig und endgültig meistern kann. Was erfolgreiche Trader dabei auszeichnet, sind Anpassungsfähigkeit (Risiken anpassen, je nachdem, ob der Markt die Erwartungen bestätigt oder widerlegt), Kreativität (Entwickeln eigener, origineller Handelsansätze), Produktivität (effektiv und effizient arbeiten) und Selbstmanagement (Routinen, um im idealen mentalen Zustand für Trading-Entscheidungen zu sein und zu bleiben).

1. Kapitel: Die Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen
Wenn gestandene Experten frustriert sind oder scheitern, ist das häufig ein Hinweis: Es fehlt nicht an den Fähigkeiten, sondern an der Anpassung an die Evolution des Geschäfts. Die entscheidenden Faktoren, die Kurse treiben, verändern sich mit der Zeit, und die erfolgreichsten Trader passen sich am schnellsten an neue Marktbedingungen an. Wirkliche Veränderung beginnt aber oft erst dann, wenn es dringend wird. Es ist aber auch möglich, Veränderung „automatisch“ in den Handelsansatz einzubinden, indem man seine Positionen beispielsweise an der aktuellen Volatilität skaliert.

Eine Sache, die unsere Motivation zerstören kann, ist Perfektionismus. Es ist eine Barriere zwischen Nachdenken und tatsächlichem Handeln. Die Wahrheit ist, dass Perfektionismus durch Unsicherheit getrieben wird. Die Botschaft, dass unsere Bemühungen nicht gut genug sind, führt immer wieder zu kleinen Niederlagen – selbst bei Gewinnen, die wir eigentlich als kleine Siege feiern sollten. Perfektionismus zerstört auf diese Weise das eigene Selbstvertrauen. Wichtig ist daher ein achtsamer mentaler Zustand. Wenn dieser vorherrscht, reagieren wir nicht einfach nur auf Situationen, sondern handeln objektiv wie ein neutraler Beobachter.

Zum Abschluss des Kapitels kommt der Autor auf einen interessanten Trugschluss zu sprechen: Oft glauben Trader, dass schlechte Performance psychologische Ursachen hat. Das stimmt aber meist nicht. In Wahrheit schauen diese Trader nicht nach Veränderungen im Markt oder überlegen, wie sie sich anpassen können. Das ist letztlich eine Ausweich-Strategie: Statt einen ernsthaften, schwierigen Blick auf das tatsächliche Trading zu werfen und Dinge zu verändern, gehen sie einfach davon aus, dass die Ursache einfach psychologisch bedingt ist.

2. Kapitel: Auf die eigenen Stärken bauen
Um auf die eigenen Stärken bauen zu können, müssen Einsteiger ihre Stärken (und Schwächen) zunächst kennenlernen, indem sie verschiedene Märkte und Handelsstile ausprobieren. Oft können wir auf Stärken, die uns schon in anderen Lebensbereichen zum Erfolg verholfen haben, auch im Trading bauen. In vielen Trader-Journals dominieren allerdings Probleme und Frustration. Das ist nicht hilfreich, der Fokus muss auf den Stärken liegen.

Brett Steenbarger zieht einen Vergleich mit einer guten Ehe. Ähnliche Werte und ein vergleichbares Temperament bei zugleich unterschiedlichen (!) Stärken können ein Rezept für eine lange, glückliche Beziehung sein. Gute Partner multiplizieren ihre Stärken und machen sich gegenseitig besser. Ganz ähnlich können auch Trader in einer kleinen Gruppe voneinander profitieren. Beispielsweise ein Trader mit gutem Marktgespür und Ideen zusammen mit einem quantitativen Trader und einem Programmierer. Wer dagegen immer nur auf eigene Faust handelt, läuft Gefahr, sich zu isolieren und in seiner Entwicklung zu stagnieren. Die besten Trader, so der Autor, haben sehr aktive und starke Netzwerke zu anderen Händlern.

Erfolgreiche Menschen verinnerlichen zudem die Gewohnheiten, die Erfolg bringen. So erreichen sie eine Konsistenz, die andere niemals mit ihrer zerbrechlichen Willenskraft erreichen können. Selbst dann, wenn es gut läuft, schauen die besten Trader, wie sie noch besser werden können. Sie beobachten andere Märkte und suchen nach weiteren Handelsideen, mit denen sie sich beschäftigen können. Die Motivation sind nicht nur Trading-Gewinne, sondern das Besserwerden. Einige könnten schon lange in Rente gehen, aber sind fortlaufend motiviert, noch größere Ziele zu erreichen.

Unsere Performance wird vom emotionalen und physischen Zustand mitbestimmt. Und diese hängen zu großen Teilen von unserem Leben außerhalb des Tradings ab. Der Autor nennt eine Liste an Dingen, wie wir positiven Einfluss nehmen können – unter anderem Sport, soziale Kontakte und realistische Erwartungen. Wenn wir nicht glücklich und zufrieden sind, fehlt uns die nötige Energie, sodass wir schnell in andere Gedanken abdriften. Wir müssen herausfinden, was konkret uns im Trading-Alltag positive Energie verschafft. Stattdessen „kämpfen“ viele Trader mit den Märkten, sind frustriert oder sehen sie als manipuliert an. Wie wäre es stattdessen, wenn wir die Märkte einfach lieben würden? Nichts könnte unsere Begeisterung stoppen!

3. Kapitel: Kreativität kultivieren
Viele Trader scheitern, weil sie ineffiziente Geschäftsmodelle betreiben. Abseits von anderen Argumenten wie effizienten Märkten oder verhaltenswissenschaftlichen Effekten ist dieser Punkt entscheidend: Trading muss als Unternehmen funktionieren. Es muss die Elemente Vision, Kreativität, Proaktivität und Opportunismus aufweisen. Die Dinge, die täglich zu tun sind, müssen klar festgelegt sein, ohne aber die eigene Flexibilität zu verlieren. Denn manche Trader machen zu lange die falschen Dinge weiter, wenn die Märkte sich verändern. Sie sind zu tief auf Screenings, Filter und den eigentlichen Handel fokussiert. Fragen Sie sich deshalb: „Was kann ich diese Woche tun, um ein besserer Trader zu werden als letzte Woche?“ Der Fokus auf Verbesserung schafft erreichbare Ziele und lässt uns langsam unseren idealen Trading-Zustand finden.

Statt nur auf den Markt zu reagieren, antizipiert der kreative Trader. Er liebt die Jagd nach neuen Ideen, plant in Szenarien und überlegt die dann jeweils nötigen Schritte. Er fragt sich: „Was machen diejenigen, die erfolgreich sind, welchen Prozessen folgen sie?“ Dieser lösungsorientierte Ansatz bringt uns weiter, als ständig nach psychologischen Problemen zu suchen. Wenn wir die wenigen entscheidenden Merkmale des aktuellen Marktes anschauen, finden wir zudem auch historische Beispiele als mögliche Analogien. Deshalb ist Kreativität die neue Disziplin. Man hat nie einen einzelnen, festen, dauerhaften Vorteil am Markt. Die Märkte und Trading-Gelegenheiten verändern sich, und erfolgreiche Trader passen sich – wie ein Unternehmer – diesen Bedingungen an. Disziplin und Selbstkontrolle mögen nach wie vor wichtig sein, aber sie sind allein nicht ausreichend.

4. Kapitel: Die besten Praktiken entwickeln und umsetzen
Um gute Praktiken zu erkennen, lassen sich beispielsweise erfolgreiche und erfolglose Phasen miteinander vergleichen. Ein weiterer Schritt ist es, gute Praktiken mittels Checklisten in feste Routinen und Gewohnheiten zu fassen. Das hilft vor allem privaten Tradern, die verschiedene Aufgaben (Research, Handelsideen, Positionsverwaltung, Reviews) in einer Person ausüben müssen. Es ist fast wie eine einzelne Person, die versucht, ein Restaurant zu betreiben. Trading kann hier nur funktionieren, wenn man selektiv ist und sich auf die eigenen Stärken fokussiert. Das Ziel ist es letztlich, einen Ansatz zu finden, der vom Prozess her auf Dauer durchgehalten werden kann.

Der Rest des Kapitels sind insgesamt 57 Best Practices. Auf 100 Seiten fasst Brett Steenbarger dort seine umfangreiche Erfahrung aus der Arbeit mit unzähligen Tradern zusammen.Viele dieser Dinge beziehen sich auf die Organisation des Tradings, eine positive Einstellung und Trade-Reviews. Im Trading-Geschäft arbeiten wir an Ideen, am Verwalten von Trades, und am Management unserer selbst sowie unserer Performance. Der Autor empfiehlt, die Entwicklung im Trading als ganz persönliches Abenteuer zu betrachten. Denn am Trading zu arbeiten bedeutet, an sich selbst zu arbeiten – und das ist wohl die erfüllendste Arbeit überhaupt.

Fazit

Das, was Trader erfolgreich macht, sind ihre besten Praktiken. Damit sind sinnvolle Methoden gemeint, um Kapital anzulegen und Risiken zu managen. Aber das, was sie zu den besten Tradern der Welt macht, sind ihre besten Prozesse. Dies sind detaillierte Routinen, die ihre besten Praktiken in konsistente Gewohnheiten verwandeln. Auf diese Weise schaffen sie es dauerhaft und beinahe von selbst, sich den Märkten anzupassen, auf ihre Stärken zu bauen und kreativ zu sein. 

10 Erkenntnisse aus dem Buch:
- Man braucht Selbstvertrauen, um erfolgreich zu sein, aber gleichzeitig Flexibilität, um erfolgreich zu bleiben
- Gute Zeiten sorgen dafür, die Energie und Inspiration für schlechte Zeiten zu bewahren
- Um erfolgreich zu werden, muss Trading in unser Leben passen – nicht umgekehrt
- Das Gefühl, eine „endgültige Lösung“ gefunden zu haben, ist ein klares Zeichen für Selbstüberschätzung
- Wirklich gute Trader sind wettbewerbsfähig gegenüber sich selbst: Sie tracken ihre Ergebnisse fortlaufend und suchen stets nach Möglichkeiten, sich zu verbessern
- Wer sich mit anderen austauscht, braucht keine Angst zu haben, seine „Geheimnisse“ zu verraten; viel gefährlicher ist es, in den eigenen Gedanken gefangen zu sein
- Die besten Trader arbeiten hybrid – sie treffen diskretionäre Entscheidungen, aber orientieren sich dabei an festen, getesteten Regeln
- Man muss die tatsächliche Arbeit, den Prozess des Tradings lieben; es muss eine Quelle des guten Gefühls sein, sonst wird es nie eine Quelle des Erfolgs
- Es wird in einem Performance Business immer eine Lücke geben zwischen dem, was wir sind, und dem, was wir werden können
- Wir sollten im Leben stets etwas haben, das wichtiger ist als Trading