Wann sind Trading-Systeme wirklich robust? (Teil 5)

Wann sind Trading-Systeme wirklich robust? (Teil 5)

Schwarzer Schwan ante portas

In dem vorherigen Artikel haben wir das extreme Beispiel des Long Term Capital Management (LTCM)-Hedgefund besprochen. Dieser Fonds war in dem Glauben, dass er mit minimaler Volatilität konsistente Gewinne erwirtschaften konnte. Offenbar hatte niemand der Verantwortlichen das potentielle Risiko eines Black Swan-Ereignisses auf dem Radar.

Von Schwarzen Schwänen profitieren

Solche spektakuläre Verluste, die die kumulativ aufgebauten Gewinne von Jahren mit einem Schlag vernichten, sind laut Nicholas Taleb typisch für Trading-Systeme, die hauptsächlich auf Vorhersagen basieren, was bei LTCM der Fall war (siehe Teil 4). Taleb beschreibt Robustheit dagegen als „unempfindlich gegenüber Schwarze Schwäne“, während er Systeme erst für antifragil hält, wenn sie geradezu von Schwarzen Schwänen profitieren. Als Beispiel  gibt er den Kauf eines Lottoscheins. Meistens wird dieser zu einem minimalen Verlust führen. Aber für einige wenige Personen bedeutet der Kauf den Gewinn eines Millionen-Jackpots.

Assymetrische Ergebnisse

Um Anti-Fragilität zu erreichen müssen die Kosten der gemachten Fehler klein bleiben, während die potentiellen Gewinne sehr groß sein müssen. Wer sich also Unsicherheit und Volatilität aussetzt, was Trader ja tun, sollte gerade das  assymetrische Verhältnis zwischen Upside und Downside sehr gut verstehen.

Welche Trading-Systeme fallen nun unter dieser Kategorie?

Momentum-Strategien sind zum Beispiel mehr antifragil als Mean-Reversion-Strategien. Mean-Reversion-Strategien begrenzen die Gewinne, weil der Trade geschlossen wird, sobald der Preis zum Mean, also zum Durchschnitt,  zurückgekehrt ist. Sie begrenzen aber nicht die Verluste, denn der Trader soll zukaufen, wenn sich der Preis noch weiter von der Standardabweichung entfernt. Gewinne sind somit begrenzt, aber Verluste potentiell unendlich. Genau das hatte LTCM versucht.

Momentum-Strategien dagegen haben eine klare Verlustbegrenzung (Stop-loss tritt in Kraft sobald ein bestimmtes Preis-Level über- oder unterschritten wird). Die Gewinne sind potentiell sehr groß, weil die Position nicht geschlossen wird, solange keine gegenteilige Signale auftauchen (Trend bleibt intakt, Trailing-Stopp). 

High Frequency-Strategien sind antifragiler als Low Frequency-Strategien. Eine große Anzahl von vielen kleinen Trades, die kumulativ Gewinne anhäufen, verringern definitiv die Chance für ein Risk of Ruin. Natürlich gilt dies vor allem dann, wenn so wenig wie möglich oder am liebsten gar kein Leverage benutzt wird. Wenige langlaufende (und also größere) Positionen, sind einem viel größerem Risiko ausgesetzt. Sie sind von daher viel fragiler. 

Backtests sollten nur benutzt werden um eine Strategie zu verwerfen, nicht aber um künftige Erfolge vorherzusagen. Ihr Wert liegt also vor allem darin, eine große Anzahl von Daten zu benutzen, um Systeme zu identifizieren, die nicht funktioniert haben in der Vergangenheit. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie dies in der Zukunft auch nicht tun werden ist höher als die Wahrscheinlichkeit, dass sie plötzlich gut performen werden.

Es ist bekannt, dass viele Top-Down-Trader ihre Systeme anpreisen mit außergewöhnlichen Ergebnisse, die diese in der Vergangenheit erzielt hätten. Die Ernüchterung kommt dann oft ziemlich bald.

Die meisten hier angeführten Argumente für Anti-Fragilität gelten für viele Bottom-Up-Trader. Sie verlassen sich meistens nicht auf Backtests. Sie handeln viel, meistens mit kleinen Positionen und sie wenden in der Regel Momentum-Strategien an. In dem Sinne sind sie deutlich antifragiler als die meisten Top-Down-trader oder Top-Down-Systeme.

Es soll damit nicht gesagt sein, dass systematische Methoden, ausführliche Backtests und statistische Daten völlig wertlos seien. Ganz im Gegenteil. Es sollte in dieser Artikel-Reihe darauf hingewiesen werden, dass, wenn man sich ausschließlich auf solche Daten verläßt, Risiken ausgesetzt ist, die das System über kurz oder lang fragil machen müssen.