You Know Nothing, Jon Snow!

Kennst du die Serie “Game of Thrones”? Falls ja, dann wird dir die heutige Headline sicher etwas sagen.

Falls nein: Dieser Spruch wurde von der Wildlings-Frau Ygritte immer wieder gegenüber einem der Hauptdarsteller, dem “Bastard” Jon Snow, benutzt. Es ist ein Spruch, der den starken Charakter von Ygritte in der Serie ausdrückt. Hier der Link zu einem kurzen Ausschnitt auf Youtube.

Im Internet schwirren einige Memes mit diesem Spruch herum. Und auch ich möchte es nutzen, um die Aussage des heutigen Beitrags zu unterstreichen: Dass wir praktisch nichts wirklich wissen. Und dass wir die Welt oft nur so sehen, wie wir selbst denken – und nicht so, wie sie wirklich ist.

Wenn wir uns mit etwas beschäftigen, müssen wir offen sein. Frei von Vorurteilen. Objektiv.

Meist sind wir das, wenn wir uns ganz neu mit etwas völlig Unbekanntem beschäftigen. Wie ein Kind, das zum ersten Mal die Dinge in der großen weiten Welt entdeckt.

Je mehr wir aber wissen, desto stärker sind wir vom bisher Gelernten geprägt. Und das lässt uns zunehmend subjektiv auf die Dinge schauen. Wir sehen die Welt nicht mehr, wie sie ist, sondern wie wir sie interpretieren.

Alle Eindrücke rauschen durch unseren Wahrnehmungsfilter. Wenn wir etwas sehen oder hören, stecken wir es mental sofort in eine Schublade; oft unbewusst und in Sekundenbruchteilen. Mögliche Alternativen sind damit sofort ausgeblendet. Wir sind nicht mehr offen für Alternativen. Nicht mehr offen für das, was wir vielleicht übersehen.

Das ist die Gefahr, die mit unserem zunehmenden Wissen kommt. Wir sehen immer mehr die Informationen, die unser Weltbild bestätigen – und blenden jene aus, die für etwas anderes sprechen. Wir glauben, überall bekannte Muster zu entdecken und sind blind für die Details. Es ist für unser Gehirn einfach am effizientesten, auf diese Weise zu arbeiten und nicht ständig alles neu zu interpretieren. Aber das täuscht uns auch über die Realität hinweg.

Diese Realität ist, dass wir eigentlich überhaupt nichts wissen. Das klingt vielleicht etwas übertrieben. Aber ganz im Ernst: Relativ zu allem Wissen können wir unseren kleinen Erfahrungsschatz glatt vergessen. Je mehr man weiß, desto mehr muss man auch erkennen, was man alles nicht weiß. Und genau das drückt die heutige Titelgrafik auf sensationell einfache Art und Weise aus.

Je mehr wir lernen und je besser wir werden, desto mehr erkennen wir unsere Grenzen. Wir erkennen, wie eng diese Grenzen sind. Wir werden bescheiden und erkennen, was wir alles nicht sind und nicht können. Das ist aber nichts Schlechtes, sondern ein Zeichen des Fortschritts. Denn nur, wer noch am Anfang seiner Lernkurve steht, denkt, viel zu wissen.
 

It’s Not What A Man Don’t Know That Makes Him A Fool, But What He Does Know That Ain’t So. (Josh Billings)

Egal, wie gut wir in etwas werden: Die einzige Einstellung, die uns weiterbringt, ist zu wissen und sich ganz ehrlich einzugestehen, dass wir trotz allem noch einen ewigen Weg vor uns haben. Dass wir nie ankommen werden. Dass es nie “perfekt” sein wird. Aber auch, dass wir vor allem eines tun müssen: Diese Reise, die letztlich unser Leben ist, zu genießen!

“You Know Nohing, Jon Snow!” ist daher eine klasse Einstellung, um durchs Leben zu gehen. Natürlich denke ich auch nicht immer daran und habe oft unbewusst Vorurteile gegenüber Menschen und Dingen. Oft aber laufen die Dinge ganz anders als erwartet, wenn man sich auf ein bisschen Unsicherheit und alternative Interpretationen einlässt. Und so entstehen ganz neue, spannende Erfahrungen.

Mach dir ab und zu bewusst, dass du nicht halb so viel weißt wie du glaubst. Das meiste, was wir zu wissen glauben, sind letztlich nur Erfahrungen, Denkmuster und Interpretationen in unserem Kopf, die uns durch den Alltag steuern. Ja genau: Sie steuern uns; nicht wir sie.

Zu denken, dass man viel weiß, ist einfach nur egoistisch. Zu wissen und zu akzeptieren, dass man praktisch nichts weiß, ist dagegen weise. Es ist der beste Weg, um die Welt wieder mit offenen Augen zu sehen.

Und egal, womit wir uns beschäftigen: Wir werden die Komplexität niemals vollständig durchschauen. Es ist eine lebenslange Reise, und sie endet nie. Wir müssen bescheiden sein und sollten nicht ständig annehmen, dass andere auch unser Weltbild teilen.

“You Know Nothing, Jon Snow! Nothing!”