Buchbesprechung: Beruf: Trader – Unabhängig traden, selbstständig handeln

Van K. Tharp & Brian June, FinanzBuch Verlag, 2006

Daytrading ist ein heikles Thema. Gleich im Vorwort des Buchs steht, dass die meisten, die diese Art des Handelns betreiben, kaum eine Chance haben. Die Autoren schreiben, dass laut Statistik rund 95 Prozent aller Daytrader Geld verlieren, die meisten davon ihr gesamtes Geld. Nur, wenn man Trading strukturiert als Geschäft angeht, wie es im Buch beschrieben wird, gibt es überhaupt Aussichten auf Erfolg. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass das englische Original des Buchs aus dem Jahr 2001 stammt, sodass die vorgestellten Intraday-Techniken wie etwa die Analyse der „Axt“ inzwischen veraltet sind. Zudem sind heute die Erfolgsaussichten im Daytrading sicherlich noch schlechter als damals. Das heißt aber nicht, dass das Buch keinen Mehrwert bietet, denn es werden auch viele psychologische und strategische Grundlagen besprochen, die für Trader auf höheren Zeithorizonten relevant sind.

Der erste Schritt an der Börse ist eine gründliche Selbstanalyse. Es gilt zu definieren, was die eigenen Ziele im Leben sind und ob Trading überhaupt dazu passt. Wir brauchen eine echte Mission im Leben, die uns antreibt und aus der wir unsere Ziele ableiten können, statt einfach nur zu sagen, „Ich möchte viel Geld verdienen“. Denn das eigentliche Ziel ist nie das Geld, sondern das, was man sich dafür kaufen kann – und hier sind wir wieder bei den Lebenszielen angelangt!

Um diese Ziele zu erkennen, kann man folgende Übung durchführen: Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihr perfektes Leben bereits jetzt führen. Wie sieht es aus? Wie fühlt es sich an? Versuchen Sie, jedes Detail zu erfassen und schreiben Sie alles auf. Setzen Sie Ihren Träumen keine Grenzen, denn es ist nur ein Traum, alles ist möglich. Hilfreich sind dabei folgende Fragen:
    Wenn ich nur noch 6 Monate zu leben hätte, würde ich dann irgendwelche Punkte von der Liste streichen oder hinzufügen?
    Wenn ich eine Millionen Euro geschenkt bekomme, würde ich dann irgendwelche Punkte von der Liste streichen oder hinzufügen?
    Wenn ich ein Ziel von meiner Liste auswählen müsste, das ich ganz sicher erreichen werde, welches wäre es?

Auf diese Weise erreicht man neben den Zielen auch die Motivation, diese zu erreichen und erkennt die notwendigen Schritte auf dem Weg dahin. Das ist wichtig, denn um erfolgreich zu sein, müssen Sie wissen, wo Sie heute stehen und die entscheidenden Unterschiede zu der Person erkennen, die diese Dinge wirklich erreichen kann. Dann lässt sich ein Aktionsplan entwerfen, um sich von der aktuellen Situation hin zum angestrebten Ziel zu entwickeln. 

Am wichtigsten ist dann die tatsächliche Umsetzung. Dazu braucht es einen ausgefeilten Business- und Trading-Plan. Während der Business-Plan beschreibt, wie das Trading als Geschäft strukturiert wird, beinhaltet der Trading-Plan die Strategien, mit denen am Markt systematisch Geld verdient werden soll. Um einen solchen Plan zu entwickeln ist es notwendig, alle denkbaren Situationen, in die man geraten kann, zu definieren und angemessene Reaktionen darauf festzulegen. Denken Sie daran, dass Sie für alles, was Ihnen an der Börse passiert, selbst verantwortlich sind – sowohl für die guten als auch die schlechten Dinge.

Das Ziel von Business- und Trading-Plan ist es, den Handel professionell als Beruf bzw. Geschäft zu strukturieren. Beispiele dazu, wie das Ganze aussehen kann, sind im Buch enthalten. Zusätzlich müssen alle Ihre Glaubenssätze, Überzeugungen und Vorurteile über die Märkte und über Geld definiert und hinterfragt werden. Nur die besten Trader bringen genug Disziplin auf, diese Pläne wirklich professionell zu erstellen. Entwickeln Sie diese Pläne so gründlich, dass Sie glauben, eine Bank würde Ihnen für dieses Geschäftsmodell einen Kredit gewähren.

Der schwierigste Aspekt im Handel sind die unweigerlich anfallenden Verlust-Trades. Die Autoren schreiben, dass es das Beste ist, diese Verluste zu akzeptieren und sich keine Sorgen darüber zu machen. Viele Kurzfrist-Trader werden aber zu Langfrist-Investoren, weil sie es nicht schaffen, einen Verlust überhaupt zu realisieren. Man muss als Trader bereit sein, immer wieder kleine Verluste als Preis dafür zu bezahlen, um größere Gewinne überhaupt erst zu ermöglichen. Sie müssen lernen, den Prozess des Tradings zu lieben, zu dem beide Seiten der Medaille gehören. Weder das eine noch das andere darf zum emotionalen Thema werden.

Wenn sich eine Aktie oder der Markt nicht wie erwartet entwickeln, sollten Sie Ihre Erwartung also fallen lassen. Professionelle Trader können problemlos beide Seiten des Marktes handeln und ihre Meinung ändern, wenn sich die Kurse nicht wie erwartet entwickeln. Lassen Sie sich ausstoppen, um Ihr Geld zu schützen, und steigen Sie wieder ein, um die nächste Chance zu nutzen. Seien Sie stets dankbar für alles im Leben, was Sie haben, um auch in schwierigen Phasen ein positiveres und unbeschwertes mentales Umfeld für Ihre Handelsentscheidungen zu schaffen.

Weitere wichtige, aber oft vernachlässigte Aspekte sind die tägliche Vorbereitung und die regelmäßige Nachbereitung. Letztere umfasst eine detaillierte Fehleranalyse, das Führen eines Trading-Tagebuchs sowie das Erstellen der wichtigsten Handelsstatistiken. Langfristig gibt es keine zufälligen Gewinne. Notieren Sie auch Ihre Gedanken und vor allem psychischen Reaktionen auf Ihr Trading. Sollten Sie dabei feststellen, dass Sie sich von der Aufregung an den Märkten mitreißen lassen, dann brauchen Sie eine andere Quelle für Ihren Bedarf an Spannung. Gutes Trading sollte eher langweilig sein und muss mit Ihrer Persönlichkeit verbunden sein. Nur so wird es möglich, neben den technischen Herausforderungen auch den entscheidenden psychologischen Aspekt zu meistern.

Die Realität an der Börse ist, dass man am gleichen Markt handelt wie die am besten ausgebildeten und finanzierten Händler der Welt. Fragen Sie sich deshalb ehrlich: Welchen Vorteil haben Sie? Wie schätzen Sie Ihre Überlebenschancen ein? Und warum glauben Sie, hier nachhaltig Geld verdienen zu können? Denken Sie immer daran, dass 95 Prozent der Trader Geld verlieren, und die Chancen gut stehen, dass Sie einer davon sein werden.

Fazit

Das Buch beschreibt realistisch, warum die Erfolgschancen im Trading im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegen und die wenigsten wirklich eine Chance haben. Für alle, die es dennoch ernsthaft versuchen möchten, gehen die Autoren auf viele Details und notwendige Schritte ein, die es zu meistern gilt. Sie beschreiben die wichtigsten Teile eines strukturierten Business- sowie Trading-Plans und geben Tipps zur Umsetzung bestimmter (inzwischen veralteter) Strategien. Der Grundtenor bleibt dabei trotz der ernüchternden Statistik erstaunlich optimistisch.

Da das Buch recht holprig übersetzt wurde, ist allen Lesern, die dem Englischen mächtig sind, das Original „Financial Freedom through Electronic Day Trading“ zu empfehlen. Leider sind in der deutschen Version auch einige kleinere Fehler enthalten sowie schlecht skalierte Grafiken, was die Aufmachung etwas unprofessionell erscheinen lässt.

10 Erkenntnisse aus dem Buch:
    Erfolglose Trader haben keine Mission, keinen Geschäftsplan, keinen Trading-Plan und sie verlieren jede Menge Geld.
    Ein Vorteil ist eine Fähigkeit oder Überzeugung, die Ihre Gewinne erhöht. Dazu zählen eine profitable Handelsstrategie, ein durchdachter Trading-Plan und ein hohes Maß an Geduld.
    Konkrete Trading-Regeln beinhalten Einstiegssignale, Stoppkurse, Wiedereinstiegskurse, Ausstiege zur Gewinnmitnahme und die Positionsgrößenbestimmung.
    Man sagt, dass Amateure Pleite gehen, weil sie Verluste zu lange halten, und Profis, weil sie Gewinne zu früh mitnehmen.
    Aktien steigen, weil viele Leute sie kaufen. Je stärker der Kaufdruck, desto höher steigt der Kurs, und je höher er steigt, desto mehr Leute möchten die Aktie haben.
    Der größte und kostspieligste Fehler sind zu große Positionen. Einzelne Trades dürfen nie größere Probleme verursachen können - weder mathematische noch psychologische.
    Das Setup definiert, wann eine attraktive Trading-Chance gegeben ist und man nach einem einfachen Einstieg sucht. Der Zweck des Einstiegs ist nicht, Kurshochs oder -tiefs zu erwischen, sondern Positionen mit niedrigen Risiken einzugehen.
    Verfeinern Sie Ihren Trading-Stil so weit, bis er zu Ihnen passt wie ein altes Paar Jeans. Sie müssen Ihrem Ansatz vollständig vertrauen, um nachhaltig Geld verdienen zu können.
    Geben Sie den Versuch auf, die Märkte zu kontrollieren, und konzentrieren Sie sich stattdessen darauf, ihre Ausstiegstechniken zu kontrollieren.
    Wer von zu Hause aus handelt, sollte sich dringend einen Mentor oder Trainer suchen.